Kinderheim Kallmünz 2.0

  • Seid gegrüßt, ehemalige Heimkinder und interessierte Leser.


    Da die letzten Einträge zu Kinderheim Kallmünz doch schon einige Zeit zurückliegen, mach ich das Thema einfach mal frisch auf mit dem Zusatz 2.0


    Mein persönlicher Aufenthalt dort war mitte der 70er Jahre bis 1979 oder 1980.
    Es ist schon so lange her dass ich es jetzt da ich diese Zeilen schreibe gar nicht mehr genau sagen kann, das wäre dann mit etwas Recherche von mir erledigt - am einfachsten wohl mit einer Nachfrage beim Meldeamt...


    Für alle, die den Namen Kallmünz nicht einordnen können - das ist ein kleines Dorf im Kreis Regensburg, für mich (gefühlt) am Ende der Welt.


    Bei mir war es das Katholische Schwesternheim am Spittlberg 1


    Von den anderen Kinderheimen im Ort die da hießen Laßleben und Miller bekam man nur wenig mit, lief sich manches mal dann aber doch übern Weg, wenn die Heimkinder zufällig zur gleichen Zeit im Dorf oder der Umgebung unterwegs waren - was selten geschah.


    Es gab verschiedene Gruppen, Jungengruppen Mädchengruppen und auch gemischte Gruppen - in den gemischten waren es Kleinkinder.
    Die Gruppe JUDITH war eine reine Mädchengruppe, FUCHSBAU und BUCHFINKEN waren Jungengruppen, MARIENKÄFER war gemischte Kleinkinder usw.



    Mich brachte man in der Jungengruppe ADLERHORST unter, maximal 15 Kinder konnten je Gruppe aufgenommen werden. Betreut wurden diese 15 von einer der Schwestern und einem Erzieher oder einer Erzieherin.
    Wir hatten einen autoritären, sehr strengen Erzieher, der gerne auch mal Prügel verabreichte wenn man einen Fehler machte, schon von Anfang an wurde mir klar es sei wohl das beste sich unauffällig und ruhig zu verhalten, was mir (zum Glück) auch meistens gelang.


    Einmal ging ich dann doch zu weit und musste einen Schlag mit der flachen Hand an den Kopf einstecken.


    Die Schule war dem Kinderheim angegliedert, es gab aber nur 8 Schulklassen, die neunte fehlte.


    Kinderarbeit war Pflicht, man musste z. B. das alljährliche Kartoffelklauben im Sommer mitmachen und bekam für 3 gefüllte Kartoffelkörbe 50 Pfennig Belohnung. Die Arbeit war anstrengend und ungewohnt, und so bekam ich in einer Woche gerade mal 15 Körbe zusammen.


    Auch zu den regelmässigen katholischen Gottesdiensten musste man mitgehen und brav die Gebete und Ave Marias auswendig lernen. Der ausführende Priester musste mit ,,Herr Geistlicher Rat.. angesprochen werden.


    Vielen in diesem Heim erging es damals schlimmer als mir, manchmal bekam ich mit wie z.B. die berüchtigte, von allen Kindern gefürchtete Schwester Sigismunda die wenn ich mich recht entsinne in der Jungengruppe FUCHSBAU das Sagen hatte, ihre Schläge verteilte.
    Ok, man soll ja über Verstorbene nix schlechtes sagen, doch wenn ich im Nachruf zu dieser Schwester lese dass ihr für ihre guten Taten gedankt werden soll - unter anderem für ihre - wie es heisst - umsichtige 47 (!) Jahre andauernde Tätigkeit in diesem Kinderheim - halte ich es schon für angebracht auch mal diesen Teil ihrer Vergangenheit anzumerken.


    Damals wie heute war das schlimmste für mich die gestohlene Kindheit die man nicht zurückbekommt, ob man das erlebte nun verarbeiten konnte oder nicht...


    ...und warum schreibe ich ausgerechnet JETZT darüber? Nach über 40 Jahren?


    Weil ich gerade auf mein Leben schaue und dazu gehört auch die Vergangenheit, so gab ich einfach mal Kinderheim Kallmünz in der Suchmaschine ein und fand unter anderem diese Website.
    Nachdem ich hier etwas gelesen hatte folgte ich dem emotionalen Bedürfnis zu teilen und tippte diese Zeilen, auch um mir und anderen noch mal zu zeigen: Du bist nicht allein! :)


    Liebe Grüße Euch allen von einem, der an dem erlebten nicht zerbrach sondern dadurch stärker wurde, auch wenn es mit Schmerz verbunden ist...

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