Warum sind sie nie am 1. Arbeitsmarkt angekommen

  • Diese Frage wurde mir im Gespräch mit dem Sachbearbeiter gestellt, welcher meinen Antrag auf "Entschädigung" aufnahm.


    In einer kurzen Stellungnahme, ca. 7 DIN A4 Seiten, habe ich sie beantwortet.


    Möglicherweise ist das, was ich geschrieben habe, für den ein oder anderen hier hilfreich und er kann Teile davon als Argumentatsionshilfe für seinen eigenen Antrag verwerten.


    Würde mich freuen, wenn ich auf diese Art helfen kann.


    Aber lest selbst:




    Sehr
    geehrte XXX,


    vielen
    Dank für Ihre Mail vom letzten Donnerstag, die ich erst heute beantworten
    möchte, erst heute beantworten kann.


    Beim
    lesen meiner Zeilen werden Sie unschwer feststellen, dass es keinen roten Faden
    gibt. Sehen Sie es mir bitte nach.


    Es
    fällt mir ungeheuer schwer, das Tor zu der Hölle aufzustoßen, die ich erlebt
    und irgendwie überlebt habe. Eine Hölle hinter hohen Mauern, die mich
    irgendwann einfach ausgespuckt und in eine mir völlig fremde Welt gestoßen hat.

    Jeder,
    der lange Zeit in einem Gefängnis verbracht hat, wird durch ein
    Resozialisierungsprogramm geschleust verbunden mit der Maßgabe, dass aus ihm
    wieder ein vollwertiges Mitglied unserer Gesellschaft wird.

    Das
    habe ich für meine Person deutlich anders erlebt.


    Seit einigen
    Jahren wird die Heimerziehung der 50er bis 70er Jahre des letzten Jahrhunderts
    und die meist damit verbundenen seelischen und körperlichen
    Grausamkeiten, die erfahrene Demütigung, erzwungene Arbeit sowie sexueller
    Missbrauch in den Medien thematisiert.

    Selbst nachdem ich auf eigenen Füssen stand, war ich sehr
    erstaunt über die grenzenlose Ignoranz und Diffamierung der Gesellschaft mir
    gegenüber als ehemaliges Heimkind. Irgendwie war ich bis weit über meine
    Lehrzeit hinaus als Heimkind stigmatisiert.

    Lange konnte ich mit anderen nicht über meine
    Heimvergangenheit reden und wenn die Frage nach meinen Eltern kam, habe ich oft
    erzählt, dass sie beide bereits verstorben sind.

    Heimkinder sind oder waren im Heim, weil sie
    weggeschlossen gehören. Weil sie stehlen, lügen und wertlos sind. Das war die
    Meinung des Großteils der Bevölkerung.

    Ergo kann aus einem Heimkind auch nichts werden.
    Aus meiner Akte geht hervor, dass ich in ganz jungen
    Jahren auch in Köln Mülheim im Elisabeth-Breuer-Stift untergebracht war. Eine
    Nonne wollte mir zum Essen unbedingt eine Schürze anziehen. Ich habe mich
    geweigert und bin um den Tisch herumgelaufen, sie mit der Schürze hinter mir
    her. Als sie dicht hinter mir war, stellte sie mir ein Bein und ich fiel der
    Länge nach hin.

    Mit dem Kopf knallte ich gegen einen massiven
    Rippenheizkörper. Meine Stirn platzte auf und es lief Blut in meine Augen.

    Schnell brachte man mich zur Krankenstation. Hier wurde
    die Wunde ohne jegliche Betäubung genäht. Durch den Sturz wurde auch meine
    Schädeldecke beschädigt.

    Das wurde einfach ignoriert, ein Arzt wurde nicht
    hinzugezogen.

    In einem späteren Heim in Rodenkirchen mussten wir unter
    anderem das Gelände sauber halten, es von Schnee und Eis befreien und nahezu
    täglich kehren.

    Mit einem anderen Jungen zankte ich mich um etwas. Er
    stellte sich auf seinen Besen und brach das Besenteil vom Stiel ab. Dann schlug
    er mit dem langen Stiel mit voller Wucht auf meinen Kopf. Erst Tage später bin
    ich wieder aufgewacht und konnte mich an den eigentlichen Vorfall nicht mehr
    erinnern. Nur von dem Schlag wusste ich noch. Auch hier wurde kein Arzt
    hinzugezogen. Dieses Institut benannte sich nach seinem Betreiber, einem
    gewissen Karl XXX und seiner Frau XXX. Diese Bestien haben einen Sohn,
    den XXX. XXX ist heute Cheftrainer bei Rot Weiß XXX, einem
    Tennisclub. Es gab auf dem Gelände unter anderem eine Tennisanlage, die wir
    Kinder pflegen mussten. Auch als Balljungen und als Bedienung in das
    angrenzende Restaurant mussten wir fungieren. Des Weiteren gab es so um die
    zehn Pferdeställe und eine entsprechende Reitanlage. Eltern brachten ihre Kinder
    zum Reitunterricht. Das Ausmisten der Ställe und versorgen der Pferde war unser
    Job. Dieser Heimleiter war ein alter Nazi. Bei den kleinsten Vorfällen wurden
    wir alle aus dem Bett geholt und mussten uns nackt in die Diele nebeneinander
    mit dem Rücken zur Wand stellen. Die Hände mussten wir dabei hinter dem Kopf
    verschränken. Er ging in Reiterklamotten die Reihe ab, genoss sichtlich den
    Anblick und fuchtelte mit einer schmalen langläufigen Pistole an unseren
    Genitalien herum. Dabei schrie er uns an „Wenn ich nicht sofort erfahre, wer
    das war, knall ich euch alle ab“.

    Seit diesen Vorfällen weiß ich auch, was es bedeutet,
    Angst um sein Leben zu haben.

    Später habe ich über das Internet und in Kriegsfilmen
    gesehen, dass genau diese Pistolen im 2. Weltkrieg benutzt wurden.

    In einer Aktennotiz des Raphaelshauses, ich war so ca. 11
    Jahre alt, steht „Peter zeigt sich gerne nackt“.

    Bestimmt war es so, dass ich schnell erkannt habe, dass
    das gut bei Männlein und Weiblein ankommt und mir einige Vorteile verschafft. Ich
    weiß es nicht.

    Warum hat niemand hinterfragt, warum ich mich gerne nackt
    zeigte?

    In dieser Akte ist aber auch zu lesen, dass ich 6 Wochen
    im Bett auf der Krankenstation verbracht habe und man erst dann einen Arzt
    hinzugezogen hat, als nichts mehr ging. Hintergrund war, dass meine beiden Füße
    erfroren waren und im Sommer jedes Mal derart aufplatzten, dass sie sich extrem
    entzündeten.

    In der Aktennotiz des Folgeheimes steht sinngemäß, dass
    ich völlig verwahrlost und mit zerrissenen Kleidungsstücken eingeliefert wurde.

    Ich denke mal, dass ich diese Hölle nur einigermaßen
    unbeschadet überlebt habe, weil ich mir eine eigene Welt aufgebaut habe, in
    welche ich mich flüchten konnte, zumindest gedanklich.

    Es hat weder eine gezielte Förderung meiner angeblichen
    Minderbegabung noch eine Förderung meiner besonderen Begabungen stattgefunden
    woraus resultiert, dass mein beruflicher und allgemeiner Lebensweg entsprechend
    vorgezeichnet war.

    Schutz, Anerkennung und Geborgenheit hat es nie gegeben.
    Ein Lob für besonders Gelungenes ebenfalls nicht.

    Daraus resultierend:
    Depressionen, Schlafstörungen, ständige Versagensängste, Alpträume, Verlassens Ängste, im Besonderen
    eine ausgebildete Beziehungsunfähigkeit, hohes aggressives Potential, extreme
    Konzentrationsstörungen und ein mangelndes Selbstwertgefühl. Das alles
    Verbunden mit dem Unwohlsein im eigenen Körper wie dem Gefühl, nichts wert zu
    sein.

    Anerzogene Unterdrückung der Gefühle. Wer zeigt, was in
    ihm vorgeht, macht sich verletzbar. Durch das immer wieder Einsperren in dunkle
    Räume große Ängste in geschlossenen Räumen, Unduldsamkeit vor allem auch
    Intellektuell, Panik vor großen Menschenansammlungen

    Mangelnde bis gar nicht vorhandene Konfliktfähigkeit, im Mittelpunkt
    stehen zu müssen, mich einigeln und das nicht zulassen und schnelle Abbrechen
    von sozialen Kontakten.

    Das Nichtzulassen von menschlicher Nähe und das in mich
    verschlossen sein.

    Teamfähigkeit gleich Null, Einzelkämpferdasein.
    Arbeiten unter Druck funktioniert bei mir überhaupt
    nicht. Zielvorgaben, Zielsetzungen, Zielerfüllungen sind mir ein Graus.

    All die aufgeführten Punkte sind Bestandteil meines
    Charakters und meines Daseins.

    Mit Sicherheit und großer Wahrscheinlichkeit bedingt
    durch ein wenig anregendes Milieu, Nationalsozialistisches Denken der damaligen
    Betreuer und vor allem der Nonnen, die schematische Anstaltsroutine, der Schichtdienst
    der wenigen Betreuer, welche sich um eine Vielzahl von Kindern kümmern mussten,
    das Wissen, ungeliebt und lediglich nur Teil ihrer Arbeit zu sein, der
    permanente Liebesentzug, mit dem ich bereits als Kleinkind konfrontiert wurde,
    die eisige Kälte, welche mir im Besonderen von den herzlosen Nonnen
    entgegenschlug. Hospitalismus war die Folge. Alle in der Gruppe auch ich,
    schlugen im Bett mit dem Kopf auf dem Kopfkissen so lange hin und her, bis wir
    einschliefen.

    Eingesperrte Raubtiere im Zoo verhalten sich ähnlich,
    indem sie ständig auf und ab gehen.

    Die strikte Trennung der Geschlechter, das nichtbeachten oder gar Feiern des eigenen
    Geburtstages, zu sehen, wie Weihnachten die meisten Kinder der Gruppe von ihren
    Eltern und Angehörigen abgeholt wurden, ein Wagen nach dem anderen die Auffahrt
    zu unserer Gruppe nahm, sich die Gruppe nach und nach leerte um dann als
    einziges oder eines von sehr wenigen Kindern wieder nicht abgeholt zu werden
    lösten schon sehr schwere Gedanken in mir aus.

    Weihnachten und Geburtstag feiern fällt mir auch heute
    noch extrem schwer. Düstere Erinnerungen werden jedes Mal wach.

    Die Gesundheitliche Betreuung tendierte quasi gegen Null,
    Impfungen gab es keine.

    Kinder, die zu Hause von sorgsamen verständigen
    Angehörigen gepflegt werden, erlangen eine körperliche und geistige
    Überlegenheit gegenüber dem Durchschnitt der Anstaltskinder. Anstaltspflege war
    unzweifelhaft vielfach Fabrikarbeit. Die Organisation und Disziplin einer
    Anstalt fordert bis zu einem gewissen Grade Pflegevorschriften, die im Großen
    und Ganzen rationelle sein mögen, die aber der Anpassung an spezielle Bedürfnisse
    des Einzelfalles wenig Raum geben. Individualitäten bestehen aber schon in den ersten
    Lebensjahren, wurden jedoch schlichtweg ignoriert.

    Bis zu meinem 15. Lebensjahr habe ich extrem stark
    gestottert und mich durch diesen Sprachfehler noch mehr zurückgezogen.

    In den Unternehmen, in denen oder besser für die ich
    gearbeitet habe, habe ich mich immer sehr schnell auf die Seite der schwächeren
    geschlagen und sie verteidigt.

    Kollegen, die gemobbt wurden, waren sich meiner Hilfe
    sicher, auch wenn ich dadurch selbst gemobbt wurde. Meine jeweilige
    Spezialisierung, bei XXX in Köln, war ich vier
    Jahre als Elektroniker in der Werkstatt für die Reparatur von elektronischen
    Spielautomaten zuständig und hatte mich auf die Spielgeräte eines bestimmten
    Herstellers spezialisiert, brachte mir sehr schnell die Bezeichnungen
    „Weltmeister“ und Liebchen vom Chef“ ein, nicht zuletzt aber auch den Neid der
    Kollegen. Hatte ich mich im Betrieb als ehemaliges Heimkind geoutet, wurde das
    in Streitsituationen immer angesprochen mit der Absicht, mich zu kränken.

    Multitasking, räumliches, abstraktes sowie
    dreidimensionales Denken funktioniert bei mir überhaupt nicht. In
    Stresssituationen reagiere ich sehr schnell gereizt und bin genauso schnell
    überfordert.

    Meinen Ausgleich habe ich immer schon in der meist
    schwermütigen Musik gesucht.

    Requien von Mozart, Brahms und Verdi gehören zu meinen
    Lieblingswerken.

    Erst jetzt, wo ich das hier niederschreibe wird mir
    bewusst, dass ich meine Kindheit und Jugend ohne Bücher verbracht habe. Nicht
    ganz, der Struwwelpeter, wohl als literarischer Zeigefinger gedacht, die Bibel,
    das Neue und Alte Testament und Gebetbücher waren jederzeit verfügbar. Das
    gedankliche Abtauchen in die Welt der Cowboys und Indianer, in die Welt der
    Ritter und Fabelwesen war wohl unerwünscht. Auch Filmvorführungen im Kino,
    Theaterbesuche oder gar Konzertbesuche gab es nicht. Zeitungen, Zeitschriften,
    Kassettenrekorder, Radio, Fernseher und Schallplattenspieler all das gab es
    nicht. Kultur fand einfach nicht statt. Jegliches sich Wohlfühlen,
    Lebensqualität und Fremdeinflüsse von außerhalb der Mauern war unerwünscht. Das
    Leben ist hart und hat gefälligst keine Freude zu machen. Wie frustriert
    mussten vor allem die Nonnen gewesen sein, dass sie uns all dies vorenthielten?

    Auf viele, sehr viele Begebenheiten möchte ich nicht
    eingehen, vor allem nicht auf die immer wieder stattgefundenen sexuellen
    Übergriffe, jedoch muss man kein Psychologe sein um zu wissen, dass ich, der
    ich so aufgewachsen bin, für den sogenannten 1. Arbeitsmarkt nicht geeignet
    bin.

    Seit vielen Jahren schon tut es mir sehr gut, über all
    diese Dinge zu reden, denn Schweigen ist ein Verband, das darunterliegende
    verletzte Gewebe fault.


    Mein Oldtimer, Mercedes Benz 300 SEL 3,5, Baujahr
    1970 und ich teilen irgendwie das gleiche Schicksal.


    Dieses Fahrzeug wurde 1970 von einem Industriellen aus
    Bayern zum stolzen Preis von 35.000 DM gekauft. Für das Geld bekam man 7 VW
    Käfer oder ein gut ausgebautes Eigenheim. Der Wagen diente wohl als Prestigeobjekt,
    damit konnte man sich standesgemäß chauffieren lassen. Der oder die weitere(n)
    Besitzer sind leider nicht bekannt, da mir lediglich die Datenkarte von MB vorliegt,
    in welche der Erstbesitzer eingetragen wurde. Später verrichtete er seinen
    Dienst in einer amerikanischen Kaserne in oder bei Wiesbaden. Gekauft habe ich
    ihn von jemand, der sie nicht gewartet und nur die notwendigsten Reparaturen
    selbst verrichtet hat.

    Dieser Wagen ist mein altes dickes Mädchen. Er erweckt in mir
    das Gefühl, ihn beschützen zu müssen und ihn wieder herzurichten. Wenn ich an
    ihm arbeite, vergesse ich komplett die Welt um mich herum.

    Irgendwie hat er seinen alten Glanz verloren und wurde abgeschoben.
    Gekauft habe ich ihn im September 2010. Das war so ziemlich die Zeit, in der
    über die sexuellen Missbräuche auch in Heimen öffentlich diskutiert wurde. Die
    Themen Heimerziehung und Runder Tisch wurden ebenso aufgegriffen und vielfach
    diskutiert. Mit dem Erwerb des Wagens und der Arbeit an ihm gelingt es mir, die
    allgegenwärtige Diskussion in den Hintergrund zu schieben. In der Arbeit am Wagen gehe ich voll auf und vertreibe somit düstere und schwere Gedanken an
    meine Kindheit und Jugend im Heim. 1970, als er das Band in Stuttgart
    verließ, befand ich mich im Michaelshof in Birnbach und war gerade mal 11 Jahre
    alt. Selten bekam ich solch ein Auto zu sehen und wenn, faszinierte es mich
    immer wieder aufs Neue. Dieser Wagen bedeutet für mich mehr als nur Hobby, er ist
    mittlerweile genauso ein Familienmitglied wie unsere 3 Mädel, meine Frau und
    unsere 5 Katzen. Die alte Technik zu erkunden, mir immer wieder die Frage zu
    stellen, was haben sich die Ingenieure damals bei diesem oder jenem gedacht,
    warum sind sie diesen und nicht einen anderen Weg gegangen ist schon ein
    kleines Detektivspiel und eine wunderbare Herausforderung. Es erfüllt mich
    jedes Mal mit einem unglaublichen Stolz, wenn ich wieder etwas gangbar gemacht und
    repariert habe. Dieses unmittelbare Erfolgserlebnis ist für mich unabdingbar.
    Arbeiten, deren Erfolg sich erst irgendwann einstellt, sind mir ein Gräuel.

    Meine Frau und ich unternehmen mit diesem wunderbaren
    alten Fahrzeug oft sonntägliche Touren, wenn die Jahreszeit und Witterung es
    zulassen. Diese Touren führen uns z.B. in den Westerwald nach Hachenburg oder
    entlang der Hunsrückhöhenstraße nach Simmern oder auch, wie jetzt am
    vergangenen Wochenende nach Freudenberg im Siegerland. Wir genießen sehr das
    majestätische dahinrollen und die Behäbigkeit, die so ein altes Fahrzeug
    einfach mit sich bringt. Sogenannte „Benzingespräche“ mit anderen
    Oldtimerbesitzern zum Beispiel bei Rheinbach Classics zeigen mir sehr deutlich,
    dass ich angekommen bin und mitreden kann. Diese ganz eigene Welt von Technikbegeisterten,
    Tüftlern, Bastlern und anderen Technikverrückten gefällt mir sehr und ich kann ganz
    in sie abtauchen.

    Gerne verzichten wir beide, meine Frau und ich für dieses
    Fahrzeug auf jeglichen Urlaub, allein auch schon wegen unserer 5 Katzen, und
    gehen stattdessen beide unserem mittlerweile gemeinsamen Hobby nach. Mein
    großer Wunsch ist es, den Wagen zumindest annähernd wieder in seinen Originalzustand
    zu versetzen. Der Wert und der Wertzuwachs des Fahrzeuges spielt für mich dabei
    überhaupt keine Rolle. Niemals würde ich ihn verkaufen. Ein Familienmitglied
    verkauft man einfach nicht.


    Erst jetzt komme ich zu einem gaaanz wichtigem weiteren
    Punkt, nämlich der Suche nach meinem Vater.

    Mein wichtigster Strohhalm war die Recherche im Archiv
    der Zahnmedizinischen Fakultät der Universität zu Köln.

    Das Ergebnis ist Ihnen bereits bekannt. Die Grauzone,
    welche der Jurist aus Ihrem Hause beschreibt, trifft in meinem Fall nicht
    umfänglich zu.

    Mir geht es nicht um irgendwelche Erbansprüche oder
    ähnliches. Mir ist nur wichtig, wo meine Wurzeln sind. Warum ich mich in
    bestimmten Situationen so und nicht anders verhalte und wie mein Vater über
    mich denken wird.

    Als Erwachsener wurde ich adoptiert und habe zur
    Bedingung gemacht, dass ich vom Erbe, auch vom Pflichtteil ausgeschlossen
    werde. Hintergrund ist, dass meine Adoptiveltern einen leiblichen Sohn haben und einen weiteren jungen Mann adoptiert haben. Es war
    mir sehr wichtig, dass ich vor allem dem leiblichen, aber auch möglicherweise
    dem ersten Adoptivsohn kein Erbe abspenstig mache. Insofern ist mein leiblicher
    Vater zwar mein leiblicher Vater, vor dem Gesetz aber eben nicht mehr mein
    Vater. Somit spielt ein mögliches Erbe, welches ich eh ausschlagen würde, hier
    keine Rolle.

    Einen auf solche Fälle spezialisierten Anwalt kann ich
    mir nicht leisten. Möglicherweise lebt mein Vater sowieso nicht mehr und ich
    stünde letztendlich nur noch vor seinem Grab.


    Bestimmt bin ich in meinen Ausführungen sehr abschweifend
    geworden und doch ist es mir wichtig, dass Sie mich und meine Beweggründe ein
    wenig besser verstehen.

    Heute haben wir Freitag den 06.09.2013. Seit unserem
    persönlichen Gespräch ist nun einige Zeit vergangen. Diese Zeit brauchte ich,
    um längst Vergessenes wieder auszubuddeln und ans Licht zu holen.

    Ich hoffe auf Ihr Verständnis und wünsche Ihnen und Ihrer
    Familie ein wunderschönes und sonniges Wochenende.


    Ganz herzliche Grüße

    Peter XXX

  • hallo pitterchen,


    oh man, dein langes schreiben macht mich sehr nachdenklich und sehr betroffen. ich möchte dir herzlich danken für den tiefen einblick in deine gefühlswelt den du uns gewährst. es erinnert mich sehr vieles an meine eigene geschichte und viele eigenarten die du aufzählst, treffen auf so manches andere ehemalige opfer auch zu.


    es gehört eine menge mut dazu, solch einen seelenstriptease zu machen, ich glaub das bring ich nicht. es ist so unendlich schwer für mich allein schon daran zu denken - und das auch nur so weit, wie es meine erinnerung zulässt. wie kann ich da einem fremden solche dinge erzählen? da kommen wieder diese gefühle hoch, diese tieftraurige stimmung die ich vor ein paar tagen schon hatte. und ich denke nicht dass es nur am herbst liegt.


    beim lesen deines briefes wird mir so richtig bewusst, wie wenig deutschland doch eigentlich tut, wie wenig diese thematik öffentlich gemacht wird. im gegenteil, ehemalige stätten verfallen, man lässt nicht oder kaum zu, dass die wichtigsten heimstätten, welcher art auch immer als mahnende erinnerung stehen dürfen. hier sollten unsere werten politiker sowas wie charakter zeigen, oder ist der ihnen völlig abhanden gekommen? unsere kinder, enkelkinder, die ganze bevölkerung samt ausländischer gäste die deutschland als touristen besuchen, sollten davon erfahren was war und mitunter auch heut noch ist. man kann ein unrecht nicht ungeschehen machen, indem mn es totschweigt. aber man kann den ehemaligen opfern vielleicht ein wenig psychologische hilfe in dieser form zuteil werden lassen.


    anstatt uns wirklich zu helfen, setzt man evtl. noch ehemalige stasileute oder ehemalige täter auf die richtigen stühle, damit die uns dann mitteilen können, dass sich "leider" nach einer sooo langen zeit keine akten mehr finden lassen. ne wir sollen oft auch noch für kopien bezahlen usw. .


    letztes wochenende war ich in berlin zu einer ausstellung der stasiunterlagenbehörde. man konnte dort auch akteneinsicht beantragen und sich einiges erklären lassen. da wurde unter anderem gesagt, wenn man seine stasiakte gelesen hat - sofern aufgefunden - kann man im anschluss daran die offenlegung der geschwärzten namen der akten beantragen. das ist vielleicht nicht jedem bekannt, ich wusste es bis dato auch nicht.


    pitterchen, ich wünsch dir mit deiner familie samt der 5 "tiger" und eurem oldtimer noch wahnsinnig viele schöne jahre und beste gesundheit. :thumbup:


    liebe grüße von zicklein

    :herz: "Einen Menschen lieben,heißt einzuwilligen,mit ihm alt zu werden." :herz:


    Albert Camus(1913-1960) frz.Erzähler und Dramatiker

  • Hi Zicklein,


    schreibe Deinen Nicknamen bewußt GROß, weil Du Dich nicht kleiner machen musst, als Du bist.


    Wie lala dieses ganze Geheuchel um den ach so tollen Fonds ist, zeigt die Tatsache, dass ich von Königswinter aus mit meiner Frau und in unserem Auto nach Köln angereist bin.
    Die Strecke nach Köln betrug ungefähr 30 Km.


    Man entschädigte meine sooo erschwerliche Anreise mit 250 Euro. Meiner Frau gestand man ebenfalls 250 Euro zu, da sie mich begleitet hat. Macht für runde 60 Km hin und um 500 Euro, oder anders ausgedrückt 8,33 Euronen pro gefahrenen Kilometer.


    Davon träumt jeder Taxifahrer.


    Heute erhielt ich ein Schreiben vom Bundesamt für Familie und zvilgesellschaftliche Aufgaben.


    Betr. Fonds "Heimerziehung in der Bundesrepublik Deutschland in den Jahren 1949 bis 1975"


    Sehr geehrter Herr XXX;


    die Prüfung der von Ihnen geschlossenen Vereinbarung über die Zahlung einer Pauschale für Fahrtkosten hat ergeben, dass der finanzielle Bedarf von bis zu 500.- Euro schlüssig ist.


    Die Auszahlung in Höhe von 500.- Euro wird auf das von Ihnen angebene Konto veranlasst.


    Falls Sie noch Fragen haben oder weitere Informationen benötigen...bla bla bla.


    Wie krank ist das eigentlich alles?


    Wer hat denn da was geprüft und mit welchen Maßstäben?


    Leute, nehmt Eure ganze Familie mit zum Gespräch, es lohnt sich.

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