Zweierlei Welten

  • Wie ich schon anfangs postete, verbrachte ich die Jahren 1953 - 1958 meiner Kindheit im Spezialkinderheim "Komensky" Altengottern. Neben wenigen guten Erlebnissen während meines dortigen Aufenthaltes gab es überwiegend unangenehme Erlebnisse, von denen ich schon einiges berichtete.
    Später, als ich längst die DDR verlassen hatte und ein wirklich freies Leben im anderen Teil Deutschlands beginnen konnte, verdrängte ich jene Phase meiner Kindheit schnell.
    Fast ein Vierteljahrhundert später, als die DDR aufgehört hatte zu existieren, wurde in mir der Wunsch wach, jene Stätte aufzusuchen und mich meiner Vergangenheit zu stellen.
    Neben dem, zu dieser Zeit immer noch vorhandenen Heimweh nach Thüringen, sollte mein Besuch in Altengottern helfen, endlich ein tief sitzendes Trauma zu überwinden.
    Ich wollte wissen, ob die gesellschaftlichen Veränderungen auch in der Heimerziehung Einzug gehalten und sich die rüden, unpädogogischen Methoden verändert hatten.
    Baulich hatte sich das Schloss sowohl äußerlich als auch im Inneren verändert. Was mir besonders auffiel war aber die Tatsache, dass die Kinder, die ich während des Besuches antraf, aufgeschlossener schienen. Ihnen fehlte der mir gewohnte verunsicherte Ausdruck in den Gesichtern, an dessen Stelle eine gewisse Art Zufriedenheit getreten war. In einigen Gesprächen mit den Kindern, insbesondere mit jenen, die schon vor der Wende hier eingewiesen waren, erfuhr ich, dass sich vieles positiv zu verändern begann. So waren wohl Prügel- und Isolationsstrafen nicht mehr an der Tagesordnung. Auch war eine gewisse persönliche Freiheit festzustellen. All die kleinen Unterschiede zum Leben in diesem Heim vor der Wende und danach konnten aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Heimleben niemals ein Leben in einer Familie ersetzen kann.
    Jetzt, weitere zwanzig Jahre später, würde ich gern dort erneut einen Besuch abstatten. Leider bin ich aber familiär zu sehr gebunden und auch mein ehrenamtliches Engagement im Deutschen Roten Kreuz lässt mir wenig Zeit dafür. Ein anderer Grund ist natürlich auch mein Alter, denn mit 70 Jahren geht manches nicht mehr so leicht von der Hand.

  • Das ist doch mal ein sehr guter Beitrag :thumbup:
    Stimmt bei mir war es auch immer wieder Heimweh,die mich in den Osten zurück gebracht hatte nach der Wende.
    Genau das habe ich in Wolfersdorf erlebt mit Gruppen von Jugendlichen die da jetzt auch untergebracht sind.
    Die meisten auch aus familiären Gründen und genau so ist es jetzt in Burg.
    Diese Einrichtungen sind auch ganz wichtig für Jugendliche die Unterstützung brauchen um einmal im Leben selbständig zu werden.
    Ich habe mir die Gruppen in Wolfersdorf angeschaut und na ja so wie ich nun mal bin mit den Jungen Leuten eine geraucht und geredet über ihre Kindheit usw.
    Und in Burg war es ganz genau so.Übrigens waren es total nette Junge Menschen. Nur bei denen hat auch was gefehlt,ich denke auch die Aufmerksamkeit,wie bei uns!
    Es waren halt bei uns andere Zeiten,ich meine mich jetzt damit,denn ich war ja von 1970-1973 in Burg.Für mich war es aber ganz ok.
    Siggi


  • ...waren es total nette Junge Menschen.

    Das bestätigt im Wesentlichen meine Auffassung:
    Auch unter der besonderen Situation eines Heimaufenthaltes ist, bei pädagogisch richtigem und vor allem sachlichem Umgang mit diesen Kindern, ein relativ zufriedenes Leben möglich. Natürlich wird ein Heim nie das Elternhaus ersetzen können; dennoch ist die Erziehung der Jungen und Mädchen zu verantwortungsvollen und charakterlich gefestigten Menschen auch hier durch einfühlsames und verständnisvolles Miteinander möglich. Prügel, Isolation, Mißhandlungen, Essensentzug und andere Schikanen sind niemals ein Mittel zum Erfolg, vielmehr nur Mittel zum Zweck.
    Die ehemalige DDR bediente sich, ebenso wie die alte BRD dieser skandalösen Methoden in den verschiedensten Einrichtungen für die Unterbringung von sogenannten "Schwererziehbaren", um deren oftmals durch die unterschiedlichsten Lebensumstände stark gestörtes Verhalten zu korrektionieren. Eine Methode, die in vielen Fällen dazu führte, dass ansich liebenswerte, nette aber auch emotional reagierende Kinder frustriert und mit einem seelischen Trauma belastet als junge Erwachsene in eine spätere und ungewisse Zukunft entlassen wurden.

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