Beiträge von Axel Li

    Gestern Abend lief im ARD Magazin "Panorama" im ersten Teil ein längerer Beitrag über unsere jüngere berufstätige Bevölkerung, ob sie nicht etwa mehr so viel arbeiten möchte, wie es früher der Fall war. Viele verweigern sich und stellen sehr hohe Ansprüche an sich und Arbeitgeberinnen, hieß es in der Sendung. Sehr empfehlenswert zu sehen. Ich hätte vielleicht damals auch mehr arbeiten und weniger Ansprüche stellen sollen mit den Mädchen, denn ich gab mir nie genug Mühe mit ihnen, weil ich schon vorbelastet war. Hinterher ist man immer schlauer, auch wem man sich vielleicht öffnet. Hätte ich doch nur die Lebensweisheiten des Hansi besessen und wär man doch nur nicht so naiv gewesen. ?(

    Man will nicht ungerecht wirken, jetzt, nachdem die Wohnung, in der ich als Kind lebte, aufgelöst ist und sollte auch verzeihen können, jetzt, zu sehen, dass jemand einfach nur nicht in der Lage war, die Dinge richtig zu machen. Die priv. Gründe kenne ich eigentlich gut genug schon länger und las in den letzten Wochen sehr viele alte Briefe und sonstiges Material, das mir erst jetzt komplett vorliegt. Ich habe es sozusagen "geerbt".


    Sprechen konnte man mit ihr darüber später nie, sie verharmloste nur immer. Naivität muss auch reichlich vorhanden gewesen sein. Also vergebe ich, weil gerade Ostern ist?


    Ja wie verhielt sie sich danach? Sie wunderte sich, dass ich zieml. verschlossen zurückkehrte, kalt war, weil ich mich wohl nicht öffnen konnte? Wem auch? Ich weiß es nur, dass sie offenbar völlig falsche Vorstellungen, bevor ich dort hineinkam, hatte, doch ich ahnte, was dort geschehen könnte. Womöglich, weil ich als Kind schon Bücher verschlang, die eher nicht nur altersgerecht waren oder Ähnliches, was ich von zu Hause ja auch kannte, wie so viele von uns.


    Komischerweise - sie besaß "Der Weg ins Leben" geschrieben von A. S. Makarenko und genau das las ich zu der Zeit kurz bevor ich ins Heim kam und wußte dennoch nichts. Wie auch, wenn derjenige schreibt, nachdem die DDR ihr Heim-Erziehungssystem ausrichtete. Gut geschönte sowjet. Jugendliteratur.


    Ich denke seit geraumer Zeit darüber nach, ob es gut wäre, über die Missetaten zu posten, die ich mit anderen Jungs beging, bevor sie mich im Heim umerziehen wollten. Würde ich über sie schreiben, man würde mir die Entschädigung wieder wegnehmen wollen, schließlich wären diese Beleg dafür, zurecht dort gewesen zu sein. Man wurde zu Hause einfach nicht mehr mit mir fertig, weil man selbst unfertig war und die Bedingungen ungünstig waren, über die ich oft schon schrieb. Doch, was war und ist schon immer günstig? hmm


    LG Axel

    Finde ich auch, dass Seppels Beitrag sehr sachlich, neutral wertungsfrei ist. Nur das geht überhaupt nicht, dass jemand Forderungen stellt. Was ist das denn für ein unmöglicher Erzieher- und Befehlston von Wolle gewesen?? So nannte sich übrigens mein 2 Jahre älterer Freund, von dem gleich noch die Rede ist.


    Zur Sache. Ja. Ich war so Einer, der sich viel zu lange die Schuld dafür gab, ins Heim gekommen zu sein. Bis ich erfuhr, dass kein Kind dafür etwas konnte, denn wir waren als Kinder von den Eltern abhängig und jene für uns verantwortlich, die Dinge so zu lösen, dass es gar nicht erst Gründe gibt, die dazu führen, dass man in ein Heim muss. Die Realität sieht meist anders aus, so auch bei mir. Ich war klass. Scheidungskind und sah meinen leibl. Vater nicht mehr mit 2 Jahren. Danach folgte das Klassikprogramm, Mutter alleinerziehend, Geldknappheit, später mehrere Stiefväter, meine Ablehnung gegenüber ihnen, ihre Unfähigkeit, mit Kindern umzugehen, teilweise ihre Mißhandlungen ertragend, Schulprobleme mit Lernzielabfällen. Verführung, nicht sex., Anstiftung von einem 2 Jahre älteren Jungen und allgem. mit fast 9, 10 Jahren dabei, auf die schiefe Bahn zu geraten. Schule, Jugendamt und fertig waren die Gründe. 3., 4. Klasse Katastrophe.


    Mich zogen immer Jungs an, die auch Problemkinder waren. Ich war verhaltensauffällig, bockig, widerspenstig und tat Dinge, die nicht hätten getan werden sollen - Schule schwänzen z. Bsp. Mit 10 Jahren drei Nächte nicht zu Hause gewesen aus Sorge, "es" könnte wieder einmal geschehen usw. Meine Mutter, überarbeitet, kaum Zeit habend, überfordert. Das reichte aus und mit 11 war ich fällig.


    Mein 2. Stiefvater war notorischer Nichtwähler. Das alles reichte längst, mich in ein Spezialkinderheim zu verfrachten, um mir Disziplin beizubringen, weil das ja zu Hause nicht gelang. Dabei bedeutete disciplina in der Sprache der Mönche - latein - Zucht, Züchtigung und das kannte ich doch schon. Wieso sie mir also irgendwo anders beibringen? hmm


    Sieht man es so, wie es hier steht, müsste ich zu Recht im Heim gewesen sein. Ich empfand es auch als Strafe.


    Der Text wird nicht jedem gefallen, sorry, denn er könnte Bemühungen Anderer behindern, die zu Recht betonen, dass sie zu Unrecht im Heim waren.


    Viele Grüße

    Axel

    Sehr gern möchte ich das tun. Folge dem Link.


    Ich danke Eichkater auch für das Papier, das mir so auch nicht bekannt war, wenngleich wir es doch lange wußten, weswegen es diese Spezialkinderheime gab und was dort weshalb geschehen ist. Natürlich ging es darum, Kinder aus Familien oder dem, was davon übrig war, dort herauszunehmen, wo dem System Menschen entglitten, der Staat keine Kontrolle mehr über Kinder hatte. Es reichten Auffälligkeiten wie Schule schwänzen u. drgl. aus. Ich könnte ja schreiben, dass mein Stiefvater, der zweite, Nichtwähler war, und das hatte sicher auch Einfluß gehabt, denn er dokumentierte damit Ablehnung des Systems. Heute spielt nicht wählen gehen keine Rolle. Damals reichte es schon aus, denn es wurde registriert - wie alles andere auch. Denn im Haus wußte man genau, wer wählen oder nicht wählen ging. Dafür gab es Leute, die schön darauf aufpassten und am Wahltag ans Wählen gehen extra "erinnerten".


    Dass das Spezialheimsystem zu verurteilen ist, weil es uns im Sinne einer Ideologie kollektiv umerziehen wollte, eigentlich ein Unding und dass wir als Individuen darunter litten, lag auf der Hand. Nun kann man ja sagen, ok. Alles nicht so schlimm. Wir haben es überstanden und irgendwie wurde aus uns ja doch etwas. Denoch lag ganz klar der politische Wille der Verantwortlichen im Vordergrund, aus uns angepasste Individuen zu machen, die uns durch Umerziehung auf Linie bringen wollten. Notfalls eben auch mit Gewalt.


    Der Weg war das Ziel. Um uns ging es gar nicht, sondern um ihre Ziele der Verwirklichung des Aufbaus einer sozialistischen Gesellschaft mit entsprechend angepassten Menschen.


    Dabei kamen die meisten von uns aus völlig unterschiedlichen Gründen ins Heim und die gerade erst erschienene Studie über die Spezialkinderheime der DDR belegt es auch. Ich habe sie ins Forum gestellt. Reagiert hat darauf erstaunlicherweise bisher niemand.


    Grüße

    Axel L.

    Dann hätte jetzt aber nicht die Härte euch gegenüber im Heim einst dazu geführt, dass du heute stolz auf das Erreichte sein kannst, sondern später externe professionelle Hilfe?


    Eigentlich ist das schon schlimm genug, dass man die erst benötigt, um wieder ein vernünftiges Leben, irgendwann einmal nach langer Zeit, führen zu können.


    Habe ich schon geschrieben, dass es mir nach der Entlassung an Selbstvertrauen fehlte, an jemanden, der an einen glaubt, der nicht einmal Kinder in die Welt setzen wollte, und sich auch nicht fest binden wollte, weil er glaubte, er würde scheitern? Als was soll man es bezeichnen, wenn man den Glauben an sich nicht besitzt und sich Selbstvertrauen nicht einfach so erlernen läßt?


    Habe ich geschrieben, wie es ist, nur Stiefväter gehabt zu haben, die eigentlich auch nichts konnten für ihr Schicksal, weil sie zur falschen Zeit geboren das Richtige nicht taten, weil sie nicht wußten, was das Richtige ist? Ursachen und Wirkungen, darüber ließe sich noch viel schreiben.


    Ja. Angst vor dem Versagen hatte auch ich, bis ich zufällig einmal begann, das Richtige zu tun, doch da war ich schon 20 und wußte mit 20 doch noch lange nicht, wohin ich wollte, weil das nur ein Funken war, doch der Glaube an mich selbst, er fehlte und wahrscheinlich wächst man nur irgendwann in der Verantwortung gegenüber Anderen. Das kann man vielleicht vorleben, wenn die Bedingungen dafür gut sind. Sind sie es nicht, ist der Weg um so länger.


    Man kann sagen, man hätte es geschafft, doch war es das wirklich, was man ist, was man hätte schaffen wollen oder redet man sich das vielleicht nur ein?

    11/2012 schrieb Sindberg (Gast) er habe durchweg positive Erinnerungen. Ein Anderer, der Jahre vor ihm dort war, schreibt exakt vom Gegenteil.

    ich war 64-65 in diesem heim habe keine guten erinnerungen....,leider habe ich auch an meine mitinsassen kein guten erinnerungen,diese zeit würde ich gern streichen jörg :(

    Wir alle speichern Erinnerungen unterschiedlich, nehmen unterschiedlich wahr, verdrängen vielleicht Gutes oder auch das Negative. Es hat mit Vielem zu tun, denn es gibt sie - Verdrängungsmechanismen, die uns zugleich auch schützen sollen.


    Doch wie @DDR Heimkind postete, er würde die Zeit lieber vergessen, wenn er an die Mißhandlungen denkt und nicht zu vergessen, das gab es alles, wie im letzten Zitat von @Ski007 zu lesen ist, an Mitinsassen keine guten Erinnerungen haben. Nun weiß man nicht, was genau vorgefallen ist, doch könnte es Zusammenhänge zu den oft nur wenigen Einträgen in versch. übergreifenden Themen geben? Wer sich bspw. an Mitinsassen bzw. Kameraden "versündigt" hat, in dem er sich kollektiv an Bestrafungen beteiligt hat, wird kein Bedürfnis haben, im Forum seine Opfer wieder anzutreffen, oder? Natürlich war Selbsterziehung ein Thema, doch musste man sich daran beteiligen?


    Axel L.

    Chris.S Hoffi MD ist nur Gast und wird dich daher nicht lesen können. Den Link hier



    kennst du ja bereits. Vielleicht findet sich dort noch jemand, den jemanden sucht? Auffallend ist jedoch, auch dort sind fast nur Gäste, so dass man annehmen darf, sie sind nur einmal zum Schauen hier gewesen. Vielleicht hatten sie keine Geduld oder das Thema war ihnen einfach nicht mehr wichtig genug? :/

    Da muss man schon ehrlich sein. Der Aufenthalt war wie das Wetter. Es gab dunkle Tage,

    und die Sonne schien auch dann und wann. Die Spezialkinderheime gingen sicher bei den meisten Ehemaligen nicht ganz ohne Folgen ab.


    Ich hatte keine psych. Betreuung nach der Entlassung. Phasen von Depressionen hatte ich erst, als ich vor 15 Jahren begann, das alles, auch die Gründe, weshalb ich im Heim landete, aufzuarbeiten.


    Diese Phasen gingen mit Süchten einher, Selbsthass, Schuldgefühlen und doch gelang es, nicht in diesen Phasen hängenzubleiben. Dafür bin ich zu sehr am Leben interessiert. Echte Abstürze wie die Anderer hatte ich so nicht erlebt und wahrscheinlich nur Kraft meines Verstandes immer wieder weitermachen können.


    1 x hatte ich vor 10 Jahren tatsächlich überlegt, was wäre eigentlich, wenn du einfach nicht mehr da bist...


    Es ging also weiter und zu den Dingen, über die du noch nicht reden kannst. Haben sie damit zu tun, weil du/wir es nicht zulassen können, zu schreiben, weil wir uns dann vollends öffnen würden müssen?


    Ich sag's ganz ehrlich. Bei mir hatte dieser nur eine Aufenthalt schon dazu geführt, viele Jahre kein Selbstvertrauen zu haben. Wenn sie das gewollt hätten, hatten sie Erfolg gehabt.


    Bei den meisten von uns blieb etwas hängen. Manche nehmen Manches ins Grab. Andere schreien es heraus. Jeder muss eigene Wege finden und auch von mir. Viel Glück Allen, die Ihre Wege suchen.


    Liebe Grüße

    Axel L.

    Hallo Chris.S


    Genau das meinte auch ich mit dem Abhauen, dass man dann noch Glück hatte. Wäre man abgehauen, hätte einen das Glück schnell verlassen können. Ich hab's erlebt, wie mit Jungs umgegangen wurde, die abhauten und zurückgebracht wurden. Zumindest mit Einem sehr real.


    Es ist auch aktenkundig, dass aus dem Heim, in welchem ich war, viele Noch-Kinder ab 14 Jahren für Wochen einfach mal so in den Ehem. Geschloss. Jugendwerkhof Torgau zur Strafe fürs Abhauen z. Bsp. gebracht wurden. Das erfuhr ich sogar von einer ehem. Erzieherin lange Jahre nach der Wende persönlich. Torgau oder ein anderer Jugendwerkhof hätte jedem passieren können, wenn er sich ständig widersetzte und sie ihn auf dem Kieker hatten. Das Thema "Torgau" und "wenn du nicht spurst", kann dir das passieren, was jenen passierte, zur Abschreckung für Andere sicher auch, lag wie eine unsichtbare Drohung im Raum. Wir wußten es eigentlich alle und versuchten, so gut es eben ging, nicht aus der Rolle zu fallen.


    Am Ende lag es nicht im Auge des Betrachters, sondern ob man mitspielte, sich anpaßte oder auch nicht.


    Leider gab es das auch schon bei uns im Spezialkinderheim, wie in fast allen anderen, die Selbsterziehung, ein System, in dem man irgendwie immer auch aufpassen mußte, nicht aus dem Rahmen zu fallen. Sonst hättest du auch alle gegen dich haben können. Eichkater hat das bestens mit dem Makarenko'schen Erziehungssystem beschrieben. Genau so lief das ab. Zum Bsp. der beliebte Strafsport in der Gruppe während der Freizeit und das war noch harmlos.


    Wenn ich nur einmal an das dämliche Punktesystem denke, dass der täglichen Erfassung von Negativpunkten diente. Vor dem Schlafengehen auf dem Flur standen wir dann und mußten uns vom Erzieher anrechnen lassen, wie viele Punkte man kassiert hatte. Die Erfassung diente dazu, uns am Folgetag bescheuerte Strafarbeiten aufzubrummen oder den Sonntagsausgang zu sperren.


    Ja. Wer immer lieb und brav war, konnte auch einen guten Stand bei den Erziehern haben, doch die Menschen sind nun einmal unterschiedlich. Ich habe das alles in Erinnerung behalten. Einmal war man sogar der Liebling und sehr schnell konntest du in Ungnade fallen.


    Ich weiß nicht, weshalb es mir nie recht gelang, Freundschaften zu pflegen und weshalb blieb man immer so mißtrauisch? Alles nicht so schlimm, doch alles kann Ursachen haben.


    Ich grüße euch auch

    Axel L.

    Dann hattest du großes Glück, doch darf man fragen, ob das Glück nicht eventuell deiner Begabung geschuldet war? Schließlich war der DDR daran gelegen, begabte Schüler zu fördern, die später in den Arbeitsmarkt kamen, der - wie heute auch - schon damals immer einen Fachkräftemangel zu beklagen hatte. Natürlich werden Begabte gefördert, denn sie sind zukünftiges Kapital. Schlussendlich wurde deine Hochbegabung zu (d)einem Privileg, das dir jeder gönnt, doch die Allermeisten Schüler und Heimkinder entsprachen dem Durchschnitt und waren somit nicht entsprechend privilegiert. Insofern fällst du hier aus dem Rahmen, denn es entsprach bei Weitem nicht der Regel.


    Sicher bin ich ebenso wie du darinnen, dass jeder seinen Heimaufenthalt anders als andere empfindet, also individuell und somit unterschiedliche Meinungen haben wird. Du siehst ja, wie ich deine Beschreibungen lese, und muss trotzdem nicht mit dem richtig liegen.


    Dir ging es also dort gut. Von schlimm oder weniger schlimm kann also keine Rede sein, denn es entsprach eben nicht der Regel, aus oben beschriebenem Grunde.


    Ich erwähnte wohl schon, als ich ins Heim kam, der relat. schlechte Zensuren hatte. Sie besserten sich zusehends, je länger ich im Heim war. Nun könnte man ja sagen. Es war doch wohl also gut so. Allerdings, es ging wohl hier gar nicht um Bildung und Schule, sondern um die Art und Weise, wie man mit uns umging, wie wir "Zucht und Ordnung" empfanden. Ich könnte sagen, mir blieb Einiges im Gegensatz zu dem, was in den 50-igern die Regel war, erspart und dennoch empfand ich das Heim als eine Art Kadettenanstalt, in der uns Disziplin beigebracht wurde. Ja. Ich hab es überstanden und hatte dort wohl mehr Glück als Andere, denn ich kenne Ehemalige von dort, die mir Schlimmes berichteten. Ich hatte etwas mehr Glück gehabt, sonst würde ich womöglich heute nicht sein, wo ich bin, denn ich weiß von Anderen, die weniger Glück hatten. Gut, dass man vergessen und verdrängen kann. So Einiges vergesse ich dennoch nie, weswegen ich hier auch noch immer schreibe? Also ist doch alles relativ, wie mit Allem. Der Eine vergißt, was Andere vielleicht nicht vergessen können.


    LG Axel

    Nun, Thomas2102 aus den offiz. Heimpapieren hieß es zwar, dass der familiäre Kontakt nach Hause gehalten werden sollte, was auch Sinn machte, doch alles erfuhren sie zu Hause tatsächlich nicht. Wie denn auch, wenn man in Briefen nicht schreiben konnte, außer dass das Wetter gut ist, das Essen auch und dass man sich auf den nächsten Besuchstag freue, so er denn kam und man überhaupt Besuch empfangen durfte - was immer vom Verhalten des Zöglings abhängig war. Mein Heimatwohnort war mehr als 200 km weit weg, so dass Besuche ganz selten waren. Ich schrieb, ob und wie man in der Schule mitkam, aber was hätte man auch wirklich berichten sollen? Ich wußte ja, weil ich das glaubte, dass ich zur Strafe im Heim war. Also war ich doch selbst Schuld an meinem Aufenthalt. Wieso also herumheulen? Man schluckte doch Manches hinein und dennoch wollte man natürlich raus. Der Drang war schon da, obwohl ich gar nicht abgehauen bin.


    Ich habe z. Bsp. nichts darüber erzählt oder geschrieben, wie es mir erging als sie mich nachts mit einem älteren Jungen erwischten. Das behielt ich aus Scham bei mir. Natürlich. Wie hätte das ausgesehen?


    Wenn ich den Brief so lese, den einzigen, den ich angeblich schrieb, wo sind all die anderen? Meine Mutter hob jeden an sie gerichteteten Brief von allen, die ihr schrieben, ein Leben lang auf. Wieso gab es von mir keine Briefe außer diesen einen? Vernichtete sie sie oder gingen diese nichtssagenden geheuchelten Briefe, in denen wir zur Schönfärberei angehalten waren, gar nicht nach Hause? Es ist reine Spekulation, doch Briefe bedeuteten Kontakt halten, nur wenn kaum ein Brief rausging, wie dann Kontakt nach Hause halten? Ich finde es komisch, denn in meinem Brief nach Hause bat ich um Schreibpapier, damit ich Briefe schreiben kann. Es kam aber nur dieser eine Brief an? Sollten gar keine ankommen? hmm


    Axel L.

    Ich bin dir dankbar für jedes Detail.

    Ich weiß nicht, ob es interessant ist, jetzt, nachdem ich nach der Wohnungsauflösung meiner Mutter/des Stiefvaters nahezu alle Briefe las, fand ich nun doch einen einzigen, den ich im Heim schrieb, der zu Hause ankam. Ich frage mich Jedoch, wo sind all die anderen Pflichtbriefe innerhalb der Zeit, die ich dort verbrachte, schrieb, abgeblieben??? Wir mussten doch regelmäßig welche schreiben. Jedenfalls las ich nun diesen einzig übrig gebliebenen Brief nach gut 50 Jahren und schäme mich schon fast etwas dafür. Ich klagte über etwas Bestimmtes, was Kleidung anbetraf und bat darum, ein zusammengefalteter Schnipsel Papier lag im Umschlag versteckt bei, der wohl durch die Zensur unbemerkt gegangen sein muss, ich schrieb, dass der Brief anbei nur Tarnung sei, er nicht dem entspräche, was ich schreiben wollte, sie sollen mich hier bitte endlich herausholen.


    Wie mag sich das für Andere heute lesen? Vielleicht, dass ich es dort tatsächlich als sehr unangenehm empfand oder gar als Waschlappen, der sich ausheulte?


    Ich hoffte, mehr als nur diesen einen jämmerlichen Brief lesen zu dürfen und ein offizieller ausgehender Brief der Heimleitung an meine Mutter mit auf dem Briefkuvert aufgedruckter Absenderanschrift "Spezialkinderheim" liest sich dann schon sehr merkwürdig. Wie gesagt, wo sind all die Briefe geblieben, die wir schrieben, in denen wir lügen mussten??

    Davon ist auszugehen, dass sich die Zeiten seitdem stark änderten. Zu deiner Zeit lebten und arbeiteten all die, die im 3. Reich erzogen wurden. Was hätten die uns/euch also beibringen sollen/können? Die kannten nur Kälte und Härte, mit der sie uns erzogen oder erziehen wollten.


    Hier könnte jede/r ganz individuell eine Geschichte erzählen, und dennoch bleibt alles relativ. Jemand, der aus einem Elternhaus kam, in dem zu Hausee zuvor alles in Ordnung war- was kaum der Fall gewesen sein dürfte - für den waren Heime mit all dem Greuel die Hölle. Wer zu Haus Schläge bekam, im Heim auch, für den relativierte es sich schon, doch wer im Heim keine bekam, für den war womöglich alles nicht mehr so schlimm, abgesehen von der Indoktrination und all dem anderen Kram wie ständig bevormundet und kontrolliert werden. Wo war Privatsphäre z. Bsp.?


    Wie gesagt, es gäbe so viele Sichtweisen zu erzählen, dass man gar nicht wüßte, wo man beginnen oder enden sollte.


    Eine hätte ich. Wir hatten Kinder im Heim aus allen Schichten. Jeder Einzelne hatte seine Geschichte. Von wenigen erfuhr ich dort als sie bei uns waren durch Unterhaltungen mit ihnen. Ansonsten, was soll ich schreiben, dass es den Umständen entsprechend dort zuging, doch was besagt das schon? Sahen wir und erfuhren wirklich alles, als wir früher in den Heimen lebten? Ich glaube, nicht alles gewußt zu haben und später erfuhr ich persönlich von zwei Mitschülern aus meiner Zeit, wie schlimm ihnen die Heimzeit zusetzte.


    Eine andere Geschichte, wir waren um die 13 bis 14 Jahre jung - sahen, wie einem Mitschüler im Essensraum auf einem Stuhl sitzend die Haare ultrakurz geschoren wurden. Er wurde nach der Flucht aus dem Heim aufgegriffen und bestraft. Tage später, ich weiß es nicht genau, hockte dieser Junge fast nackt im Duschraum im Dunkel zusammengekauert, in den wir gerade zum Duschen hereinkamen. Er sah sehr verheult und schlimm zugerichtet aus, war irgendwie wie von Sinnen, und ich weiß es heute noch nicht, wer ihn so grün und blau geschlagen hat. Niemand fragte oder sagte es. Das kann kaum ein Erzieher getan haben. Ich weiß es einfach nicht und gehe davon aus, dass es die größeren Jungen aus der Nachbargruppe waren. Vielleicht übergab man ihn ihnen zur "Erziehung"?


    Eine andere Legende besagt, er wäre kurz in Torgau gewesen und wurde dort so zugerichtet, kam von dort zu uns zurück in die Gruppe. Auch das hörte ich nur von Anderen. Ich hätte zu gern heute seine eigene Geschichte erzählt bekomnen und hörte oder las leider nie wieder von ihm oder über ihn. Was immer aus ihm wurde. Selbst sein Name ist mir entfallen.


    Mehr Geschichten? Nein. Ihr sollt bitte euren eigenen Glauben schenken.


    Grüße

    Axel L.

    Der Anmoderation zum folgenden Beitrag entnimmt man, dass ca. eine halbe Million Kinder und Jugendliche zwischen 1949 und 1990 in DDR-Kinderheimen und sogenannten Jugendwerkhöfen untergebracht waren, die dort häufig emotionale Vernachlässigung, körperliche Misshandlungen und sexualisierte Gewalt erlebten. Nun liegt ein dreijähriger Abschlussbericht vor. Die Laufzeit der Studie endete im Jahr 2022. Darinnen heißt es, dass die Heime den Willen der Minderjährigen formen sollten, damit sie angepasst sind und funktionieren können im Sinne der sozialistischen Gemeinschaft – wenn nötig auch mit Gewalt. Es ist erstaunlich und wer hätte es geglaubt, dass sich doch noch Menschen bemühen, die Licht ins Dunkle zu bringen. Es scheint dringend zu sein, als Warnung verstanden, dass es nie wieder Zustände geben darf, die vor allem in Diktaturen möglich waren.


    Zitat


    Nicht jeder der Betroffenen berichtet von negativen Erlebnissen, sagt die Leiterin der Studie [...]. Dennoch zeige sich insgesamt ein Bild einer Institution, die die Bedürfnisse von Minderjährigen auf allen Ebenen vernachlässigte. "Viele der Menschen mit DDR-Heimerfahrungen mussten nicht nur traumatische Erfahrungen in den Heimen machen, sondern erlebten häufig bereits in der Herkunftsfamilie Missbrauch und Vernachlässigungen, oft mit langfristigen psychosozialen Folgen."



    Ein immer wiederkehrendes Muster – einerseits kamen viele der Kinder aus Elternhäusern, in denen sie schon zu Hause Gewalt erlebt haben und dann erlebten nicht wenige von ihnen sie als Fortsetzung in den Heimen. Ein kurzes und trockenes Fazit lautet


    Zitat

    Eine Wiedergutmachung der negativen Erfahrungen ist für Menschen mit DDR-Heimerfahrung nicht möglich



    Das wird wohl stimmen, denn wenn man ehrlich ist, vergißt man nichts und kein Geld kann etwas gut machen.


    Studie über Missbrauchsfällen in DDR-Kinderheimen veröffentlicht | MDR.DE

    Willkommen! Auf die Gefahr hin, hier etwas zu posten, was nicht allen gefällt. Du hast die Frage, Andy05 fast schon beantwortet. Wer in mehreren Einrichtungen war, kann sich ganz bestimmt ein Urteil erlauben. Ich könnte es nicht, und dennoch ist wie so oft alles relativ, aus dem Auge des Betrachters zu sehen. Der Wahrheiten gibt es so viele wie es Menschen gibt heißt es auch.


    Ja. Im TV hat man schön Manches gesehen, jedoch muß man immer auch die Zeit betrachten, in der ein Film spielt, der das Thema Heim beinhaltet. Ich könnte mir auch vorstellen, dass manch ein Drehbuchautor etwas darstellt, was nicht 1 zu 1 in der Realität geschehen ist.


    Auch ich hoffe, in einer einigermaßen guten Einrichtung gewesen zu sein, wobei, würde ich mein Heim auf einer Skala von 1 bis 10 bewerten, es bekäme eine 5, denn sicherlich hätte manches besser laufen können, doch man will ja nicht jammern. Ich hatte schon gemischte Gefühle. Ein Anderer vielleicht nicht. Manch einer fand es schlimm, der Andere wiederum weniger oder nicht.


    Du hast eine echte Heimkarriere hingelegt und deshalb denke ich, dass du das sehr gut und besser einschätzen kannst als ich z. Bsp. Ein gutes Thema übrigens. :thumbup:

    Man will ja auch hier kein Kreuzworträtsel lösen.

    Das war kein Rätselraten, sondern als Anregung verstanden, per Stichworteingabe in der foreneigenen Suchhilfe fündig zu werden. Außerdem ist Daniel für jeden Hinweis dankbar.


    Früher, als ich Zeit hatte, hatte ich gern diese Rätsel gelöst, denn dabei trainiert man etwas, das Denken. Natürlich ist alles einfacher, wenn man es vorgesetzt bekommt, doch das Denkvermögen wird beim Rätseln aktiviert und ich denke, dass das sehr förderlich ist für unsere Entwicklung. Was meinst Du, wie man sonst ans Ziel kommt, wenn es einfach ist? hmm


    Ich z. Bsp. habe viel nachgedacht, darüber ob es hilfreich war/ist, was ich hier tat/tue, denn ich glaube - nein ich weiß es sogar - dass diese Art von Aufarbeitung nur durch Fleiß und Selbststudium möglich war/ist. Ohne Fleiß kein Preis. :)

    Darf ich mich für meinen Rechtschreibfehler entschuldigen? Ich schrieb den Text zuvor mit dem Smartphone und offenbar lag es daran, dass "Nuzen" falsch geschrieben wurde. Niemals würde ich "Nutzen" wissentlich oder gar willentlich als "Nuzen" schreiben wollen, wobei sich das Wort irgendwie ganz lustig liest. :D Es könnte ein unbekanntes Substantiv - für was auch immer stehend - sein.


    Nun weiß ich sehr genau, dass unsere im Heim erworbene Schulbildung exakt dem gleichen Niveau entsprach wie man es an normalen Schulen außerhalb der Schule im Heim eingetrichtert bekam und darauf bin ich sogar ein klein wenig stolz, denn das Bildungswesen, das DDR-Kinder durchliefen, war recht gut, hieß es später immer wieder. Finnland - es wird jetzt NATO Mitglied - übernahm es größtenteils, Es war doch nicht alles schlecht. Vieles jedoch wurde später - aus allerlei möglichen polit. Motiven heraus schlechtgemacht, weil Geschichte schon immer von Siegern geschrieben wurde.


    Die DDR hatte im Wettkampf der Systeme verloren und als Verlierer fühlten sich später sehr viele Ostdeutsche tatsächlich, denn nach der Wende hieß es, dass viele leitende Stellen auf dem Gebiet der ehem. DDR fast nur von Westdeutschen besetzt wurden und das lag sicherlich nicht daran, dass DDR Bürger zu blöd waren. Bitte das einmal fürs Protokolll festzuhalten. ;)


    Das hat natürlich mit dem Thema nichts zu tun und dennoch musste man einigermaßen gesund und auf der Höhe sein, um mitzukommen oder nicht zurückzufallen, nirgends.


    Dann lasse ich mich überraschen, wie mein Post verstanden wurde, doch sicherlich wird es Mißverständnisse geben. Es liegt in der Natur der Sache, dass man nicht alles versteht oder auch nicht verstehen kann. Ich würde zu gern verstanden haben, um welche Institutionen z. Bsp. es sich handelt, die solche wissenschaftl. Zuarbeiten bekommen. Wer hat wen beauftragt, um zu welchen Erkenntnissen zu kommen? Wenn ich nur nicht immer so neugierig wäre. :keeporder:

    Nun, lieber Johann,

    Ich habe schon 1 x für eine entsprechende Arbeit vor Jahren "zugearbeitet" und das auch ganz gern. Was sonst sollte man noch mit dem restlichen Leben anfangen? thinking


    Wobei ich immer wieder erstaunt darüber bin und mich frage, wem das denn heute noch von Nuzen sein könnte? Hat diese Welt nicht gerade genug andere dringendere Sorgen als sich um ehem. Heimkinder_innen zu sorgen?


    Wie es scheint, sind Teile unserer Gesellschaft heute krank und scheinen dringend therapiebedürftig zu sein, ohne es hier näher auszuführen weshalb. Man muss ja nur einmal durch die Lande gehen, lesen und sich umschauen, was alles so geschieht. Da scheint es viel mehr Bedarf zu geben, man fragen sollte, wie es heute mit der gesundheitl. Betreuung bestellt ist.


    Du hast Post, seit 10 Stunden etwa. ;)

    Dann stelle ich hier einmal ein Bild ein, eine sehr schlechte Qualität übrigens und es stammt auch nicht von mir. Es scheint auch gar kein Copyright drauf zu liegen. Das Bild sollte dir bekannt vorkommen. Es war/ist das Schwimmbad, damit man sich dort in den heißen Sommern erfrischen durfte. Es wurde nach meiner Zeit erbaut und das viele kleinere Becken zuvor wurde in den Mit70-igern zugeschüttet. Davon habe ich auch noch ein Bild, auf dem ich sogar zu sehen bin. Ein reiner Zufall, dass es das noch gibt. Ich hoffe, du findest auch, wenn auch nur zufällig etwas, wonach du suchst! :)